Sprechen wir über ein Employer Branding auf der Basis ehrlich empfundener Sorgen um das Wohl von Mitarbeiter*innen und um ein produktives Miteinander. Nur das ist Premium.

Hanna Arendt hat schon 1951 in ihrem berühmten Buch “Elemente und Ursprünge totalitärer Herrschaft” davor gewarnt, dass der Verlust der sozialen Beziehungen auch anfällig machen kann für Intoleranz und Ideologien. Es könne also gefährlich werden, schreibt sie, wenn Menschen nur zuhause säßen, zurückgeworfen auf sich selbst und ihre Stimmungen, ihre Ängste und ihren Hass. Sie spricht von einer „Verlassenheit“, die entsteht, wenn sich ein Mensch „aus dieser Welt hinausgestoßen fühlt, wenn jeder ihn verlässt und auf nichts mehr Verlass ist.“

Harald Jeschke
Harald Jeschke

Harald Jeschke ist Kommunikationsberater und Autor. Seine Beratungsschwerpunkte sind der Aufbau, das Ausrichten und die Festigung der inneren Beziehungen von Organisationen und die Verständlichkeit von Botschaften und Zusammenhänge. Er hat Büros in Oberösterreich und Tirol.

Web | Linkedin | XING | Twitter

Das ist das Szenario, dem wir uns im Moment gegenübersehen. Derzeit wird die Homeoffice-Bewegung zwar noch als längst überfälliger Beschleuniger der Digital Literacy von Menschen und Organisationen gelobt und wegen ihrer positiven Wirkungen auf Umwelt, Verkehrsaufkommen und Familiennähe gepriesen. Zu Risiken und unerwünschten Nebenwirkungen aber fragen Sie … wen? Am besten den eigenen Hausverstand. Den Menschen zu „erlauben“, von zu Hause aus zu arbeiten, ist nämlich keine noble Geste des Entgegenkommens, sondern eine Notwendigkeit, um die Geschäftsprozesse einigermaßen am Laufen zu halten. Und wir dürfen nicht vergessen: Kommunikation und Isolation sind wie Feuer und Eis.

Hier kommt nun ein Employer Branding ins Spiel, das sich nicht nur als Sahnehäubchen beim Recruiting wichtigmacht, sondern einen Arbeitgeber wegen seiner ehrlich empfundenen Sorge um das Wohl seiner Mitarbeiter*innen und um ein produktives Miteinander auszeichnet. Nur das ist Premium. Alles andere ist ein werbliches Getue, das niemand mehr so recht ernstnimmt.

Wertschätzung ist ein Brückenschlag zwischen Analog und Digital und sie ist eine einigende Kraft, die Distanzen überwindet

Es ist nicht neu, dass Wertschätzung (mit großem Abstand) an erster Stelle steht, wenn es um die Zufriedenheit am Arbeitsplatz geht. Aber nur, wenn das Unternehmen gerade in Zeiten verordneter Distanzen die mentale Bindung sucht und pflegt und vermeidet, dass sich die Mitarbeiter*innen alleingelassen oder gar „abgehängt“ fühlen, wird es seinem Anspruch gerecht, eine Arbeitgebermarke zu sein. Dann ist es in der Tat etwas Besonderes. Eine Marke eben, wertvoll, unverwechselbar und voll Anziehungskraft.

Trumpismus ante portas? – Pandemie und Narzissmus sind eine explosive Mischung

Früher war der Narzissmus eine Kirchensünde. Anfangs des 20. Jahrhunderts hat man ihn zu einer psychischen Störung erklärt, und heute ist er ein gesellschaftliches Ideal. Dass ein Mensch sich so narzisstisch gebärdet wie Donald Trump, scheint Millionen Amerikaner*innen zu imponieren … weil sie sich offenbar selbst als „sprachlos“ erleben. Das ist der Anfang von Entsolidarisierung und einer Vereinsamung, die später auch die Narzissten selbst treffen wird. Es sollte uns zu denken geben, dass der Zuspruch zu politischen Populisten und Anti-Establishment-Parteien heute so groß ist wie zuletzt in den 1930er-Jahren. Wo kommt das her? Wie wird das enden? Die Wahl Donald Trumps und das Brexit-Votum werden zu einem erheblichen Teil auf „wirtschaftliche Umstände“ zurückgeführt. Aber sind es nicht die Unternehmen selbst, die diese „Umstände“ herbeiführen und sie mit ihrem Verhalten in die Familien tragen? Für mich ist Employer Branding zuallererst ein zentraler Teilaspekt der Unternehmenskultur. Und gerade in Zeiten des erzwungenen Abstand-Haltens muss diese Kultur den Markenkern der Organisationen mit Leben und Beziehungspflege (auf möglichst vielen Kanälen) füllen. Und oft ist das ganz einfach: Anruf genügt.

Die Corona-Kompetenz im Umgang mit den Mitarbeiter*innen kann man aufbauen: Mit Wissen, Können und Haltung
  1. Das Wissen über die Zusammenhänge und die (technischen) Möglichkeiten sammeln und weitergeben, die den Kontakt und den Umgang mit den Mitarbeiter*innen trotz vieler Einschränkungen möglich machen. Wer das will, findet Wege. Wer es nicht will, findet Gründe.
  2. Das Können im Umgang mit den von der Pandemie betroffenen Mitarbeiter*innen (und ihren Angehörigen). Diese Skills sind uns Menschen nicht „gegeben“, weil es kaum Vorerfahrungen gibt und deshalb auch keine Intuition abgerufen werden kann. Wir müssen sie entwickeln, erproben und konsequent einsetzen (lernen). Wer spürt, dass sich andere Menschen (und ganze Organisationen) dafür interessieren und Zeit und Geld dafür aufwenden, um den Kontakt nicht abreißen zu lassen, empfindet Wertschätzung pur. Und er wird es niemals vergessen.
  3. Die Haltung, die die Werte des Unternehmens gerade jetzt besonders deutlich und erlebbar macht: Das ist im Zeichen der Corona-Krise nicht nur PR nach innen, sondern eine konkrete Hilfe von Mensch zu Mensch und geht weit über das Übliche hinaus. Es ist eine „historisch“ zu nennende Chance, aus den schöngefärbten Kulissen des Employer Branding herauszutreten und auf die Menschen zuzugehen, das Vertrauen zueinander zu stärken und das Miteinander zu fördern. Es wird sich herumsprechen und es wird ansteckend sein … in einem sehr positiven Sinn.

– – –

Foto: Unsplash | Austin Distel

Kommentare an: Employer Branding vs. Social Distancing: Wege gegen die Verlassenheit

Schreib' uns deine Meinung

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.