Bevor Gerald Schmoldt als Berater in Sachen Unternehmenskultur aktiv wurde, war er mehr als 20 Jahre als Führungskraft bei einem großen Automobilhersteller beschäftigt. Hier hat er in seinen internationalen Teams eine neue Art zu führen etabliert. Im Interview schildert er seine Erfahrungen – und anderem mit “Management by Kaffeetrinken”.
Was waren deine ersten Erfahrungen als Führungskraft?
GS: In dem sehr technikgetriebenen Unternehmen sind vor allem jene aufgestiegen, die gute Problemlöser waren, und nicht immer jene, die gut mit Menschen umgehen konnten. Viele Führungskollegen damals haben ständig hinter ihren Mitarbeitern hergearbeitet und beide Seiten waren nicht wirklich glücklich damit. Da habe ich entschieden, dass ich das so nicht handhaben will und habe für mich eine neue Kultur des Führens entwickelt.
Wie sah diese aus?
GS: Ich begann, mich als Teamleiter, soweit es ging, aus dem operativen Geschäft zurückzunehmen und eher dafür zu sorgen, dass meine Mitarbeiter ihre Arbeit gut und gerne machen können. Ich wollte nicht ständig besser sein als meine Mitarbeiter oder sie ständig kontrollieren, sondern sah meine Aufgabe vielmehr darin, Steine aus dem Weg zu räumen, die sie in ihrer Arbeit behindern. Ich wollte eine Arbeitsumgebung schaffen, die sie befähigt, Top-Leistungen zu erbringen und selbst Verantwortung zu übernehmen.
Wo hast du da konkret angesetzt?
GS: Bei den Mitarbeitern selbst. Menschen müssen ihre Arbeit machen können. Das heißt gut geschult sein und möglichst ohne Hindernisse durch interne Prozesse handeln können. Und sie müssen ihre Arbeit machen wollen und in dem, was sie tun, einen Sinn und Nutzen sehen. Um das zu ermöglichen, muss man als Führungskraft seine Mitarbeiter kennen und Verbindungen aufspüren zwischen dem, was diese mitbringen an Fähigkeiten und auch an Erwartungen, und dem, was der Betrieb, der Markt, der Kunde verlangt. Diese Brücken gilt es zu schaffen.
Das geht aber nicht von heute auf morgen …
GS: So ist es, das braucht Zeit und genau darum geht es auch. Menschen zu führen, heißt, sich aktiv Zeit zu nehmen für sie, sie kennenzulernen. Und eben das hab’ ich getan. Das war eine ganz bewusste Entscheidung.
„Ich wollte nicht ständig besser als meine Mitarbeiter sein oder sie ständig kontrollieren, sondern sah meine Aufgabe vielmehr darin, Steine aus dem Weg zu räumen, die sie in ihrer Arbeit behindern.“
Wie hast du das im eng getakteten Tagesgeschäft in der Automobilindustrie gehandhabt?
GS: Ich habe zuallererst meine vielen Meetings kritisch betrachtet und ganz bewusst jene ausgelassen, bei denen meine Anwesenheit nicht unbedingt erforderlich oder meine Rolle nicht ganz klar war. Da war ich konsequent. Damit hab ich mir die Zeit verschafft, mich aktiv meinen Mitarbeitern zu widmen, mit ihnen Kaffee zu trinken und zu reden.
Wie haben deine Mitarbeiter:innen und Führungskollegen damals reagiert?
GS: Meine Mitarbeiter haben durchwegs positiv reagiert. Meine Managerkollegen und meine Chefs nicht alle, da hat es durchaus Stirnrunzeln gegeben, Unverständnis und auch offene Kritik. Ich bin meinem Kurs allerdings treu geblieben und die Rückmeldungen und Entwicklungen in meinen Teams haben mich bestärkt.
Diese Führungsarbeit war auch der Kern für deine heutige Tätigkeit als Berater. Kann man das so sagen?
GS: Im Prinzip ja, da waren natürlich ein paar Stationen dazwischen. Ich habe mich in meiner damaligen Firma auch gerne eingebracht in Projekten, in denen es um Werte, Leitbilder und in der Folge um Unternehmenskultur ging. So habe ich nach und nach mein Bewusstsein für diese Themen geschärft. Aus all dem entstand die Basis für das, was ich heute mache.
Was zeichnet deiner Meinung nach heutzutage eine ideale Führungskraft aus?
GS: Es braucht ein gutes Geschäftsverständnis und einen Erfahrungsschatz einerseits und eine Offenheit für die Belange der Menschen und gegenüber neuen Methoden anderseits. Führungskräfte müssen Orientierung geben und Freiraum zugleich, das ist die Kunst.
Wie ist deine Einschätzung: Ist das Bewusstsein groß, Führungs- und Unternehmenskultur anders zu gestalten?
GS: Ich arbeite vor allem mit mittelständischen Unternehmen und da gibt es mitunter starke, beharrende Kräfte. Andererseits spüren diese natürlich auch den Wandel, vor allem natürlich auf dem Arbeitnehmermarkt. Dieser ist für viele ein starker Antrieb, die eigene Unternehmenskultur zu hinterfragen und weiterzuentwickeln.
Am 24butterfly Corporate Karisma Festival gastiert Gerald Schmoldt mit seinem Impulsvortrag „Kaffee trinken als Führungskompetenz“.
Gerald Schmoldt hat ursprünglich Maschinenbau studiert. Nach mehr als 20 Jahren als Führungskraft bei einem großen Automobilbauer war er für A Great Place to Work Germany aktiv. 2019 hat er in Köln die Werkstatt für Unternehmenskultur gegründet und berät und begleitet Unternehmen auf dem Weg zum hervorragenden Arbeitgeber.
Foto “Kaffee”: Priscilla Du Preez.
Kein Kommentar
Einen Kommentar schreiben Abbrechen