Steigert eine klare Purpose-Orientierung die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter:innen? Ja, sagt eine Studie, für die 1.000 österreichische Arbeitnehmer:innen befragt wurden. Aber nur unter gewissen Voraussetzungen …
Der Begriff “Purpose” wird seit geraumer Zeit gerne ins Feld geführt, wenn es darum geht, die steigende Fluktuation von Mitarbeiter:innen vor dem Hintergrund allgemeinen Fachkräftemangels in den Griff zu bekommen. Eine als sinnvoll erlebte Tätigkeit trägt, so die Fachmeinung, nicht nur zu einer höheren Bindung ans Unternehmen bei, sondern auch zu höherer Eigenverantwortung im täglichen Tun. Mehr von allem erscheint angesichts der exorbitant hohen Zahl an “inneren Kündigungen” dringend ratsam: Rund 40% der unselbstständig Erwerbstätigen haben in den letzten sechs Monaten darüber nachgedacht, einen neuen Job zu suchen, 13% verschickten im gleichen Zeitraum Bewerbungen und 5% haben sich komplett aus dem Rennen genommen: Sie sind zu frustriert, um sich überhaupt noch Chancen auf ein glücklicheres Arbeitsleben auszurechnen. In Summe sind dies 58% der Arbeitnehmer:innen.
Doch motiviert “Purpose” auch in Organisationen ohne ausgeprägt positiver Unternehmenskultur? Kaum anzunehmen, dachten sich die Berater:innen von DIE FABRIKANTEN und Brandscore.at und befragten im Frühjahr 2022 1.000 österreichische Arbeitnehmer:innen aller Branchen und Tätigkeitsfelder. Das Ergebnis: Anhand weniger Parameter lassen sich Unternehmen Clustern zuordnen, die sich in punkto Arbeitszufriedenheit von Mitarbeiter:innen massiv unterscheiden. Überraschend deutlich: “Purpose-washing” schadet dabei dem Commitment mehr als keine deklarierten Werte.
Purpose-Cluster im Überblick
Sie glänzen mit klar definierten Unternehmenswerten und leben Creative Leadership: Die “Purpose-Heroes”. Beinahe zwei Drittel (65%) ihrer Mitarbeiter:innen bestätigen, dass die Werteorientierung – vor allem in den Feldern “Technische Innovation”, “Vernetzung” und “Kreativität” – einen “sehr hohen” Beitrag zu ihrer Arbeitszufriedenheit leistet, die insgesamt bei guten 1,3 (Schulnotenskala) liegt. Rund 14% der österreichischen Unternehmen zählen zu dieser Gruppe. Einer ihrer großen Wettbewerbsvorteile: Nur 19% der Mitarbeiter:innen von “Purpose Heroes” zeigen Symptome einer inneren Kündigung und diese sind sehr mild.
Das Management der “Freiraum-Freaks” punktet ebenfalls mit Creative Leadership (Arbeitszufriedenheit bei recht hohen1,8). Hier vermied man allerdings – zumindest bislang – aus der Betriebstätigkeit einen dezidierten Purpose herauszuschälen und zu kommunizieren – was sich moderat rächt: Der Anteil an jenen im Team, die über Kündigung zumindest nachdenken, springt auf 28%. Dieser Cluster umfasst etwa 18% der heimischen Arbeitgeber:innen.
Das Schicksal der “Meister des halben Wegs” sollte allen Unternehmen zu denken geben: Sie haben ihren übergeordneten Zweck zwar sauber ausformuliert, jedoch nur halbherzig kommuniziert und leben ihn im Alltag zu wenig. Diese für die Mitarbeiter:innen spürbare Diskrepanz zwischen Anspruch und “Business as usual” lässt den Anteil Wechselbereiter deutlich ansteigen: In dieser Gruppe sind es bereits 46% der Mitarbeiter:innen, die trotz Zufriedenheit (2,0) bei Aussicht auf bessere Bedingungen jederzeit aussteigen würden. In diesen – größten – Cluster fällt immerhin ein Viertel der österreichischen Unternehmen.
Geht die Dissonanzschere weiter auf, schnellen die Zahlen nach oben: Ein Fünftel der Betriebe definiert zwar Werte, folgt diesen jedoch in keiner Weise. Damit frustriert diese Gruppe der “Purpose Washer” ihre Arbeitnehmer:innen so sehr, dass die Arbeitszufriedenheit in diesen Unternehmen nur noch bei 2,8 liegt und mit 95% so gut wie die gesamte Belegschaft auf eine Chance zum Absprung wartet.
Das Learning: Purpose muss authentisch und gut nachvollziehbar sein und vor allem spürbar gemacht werden. Alles andere wirkt kontraproduktiv.
Auf ähnlich hohem Niveau – bei 94% – pendelt sich die Wechselwilligkeit bei den “Fluktuationskaisern” ein, mit 23% Anteil an allen österreichischen Unternehmen der zweitgrößte Cluster. Nur die Unzufriedenheit nimmt in dieser Gruppe noch zu (3,0).
Wo wirken kulturelle Aktivitäten?
Wer in Unternehmenskultur investieren möchte, sollte sich bewusst machen, auf welcher Entwicklungsstufe der eigene Betrieb steht. Zählt er noch zu den “Fluktuationskaisern” oder zu den “Purpose Washern” (zusammen rund 43% der österreichischen Unternehmen), finden Kulturimpulse jenseits von Betriebsausflug und Weihnachtsfeier – wie “Bring your family”-Tage, Mentor:innen-Programme, gemeinsames Kochen oder firmeninterne Kunstprojekte – kaum Resonanz. Lediglich 20 bis 25% der Mitarbeiter:innen goutieren hier solche Angebote; der Rest steht ihnen argwöhnisch oder ablehnend gegenüber. Ein Bearbeiten der kulturellen “Basics” sollte vorangehen.
Bei den “Purpose Heroes” und den “Freiraumfreaks” dreht sich die Erwartung ins Positive: Hier sehen rund zwei Drittel der Beschäftigten einen positiven Effekt von Kulturimpulsen und freuen sich auf eine Teilnahme.
Zur Standortbestimmung, wo Unternehmen und Organisationen stehen, haben DIE FABRIKANTEN und Brandscore.at einen Online-Fragebogen eingerichtet, der von Interessierten kostenlos genutzt werden kann: Link auf Anfrage an karisma@fabrikanten.com.
Foto: Brooke Cagle | Unsplash
Grafiken: Renate Demmel-Wölbitsch
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