New Work Anstrengungen sind nur dann auf ganzer Linie erfolgversprechend, wenn die Menschen aus der Produktion miteingebunden werden. Dafür kämpft Rosemarie Thiedmann. Sonst müssen Betriebe mit Unmut und Spaltung rechnen.

„New Work in Blue Collar“ ist einer der Ansatzpunkte deiner Arbeit für Unternehmen. Wie bist Du auf dieses Thema gekommen?

RT: Ich habe einige Jahre in der Lebensmittelbranche gearbeitet und da gibt es eine „Hygieneschleuse“ zwischen Büro und Produktion. Die erhöht den Aufwand, von einem zum anderen Bereich zu kommen, und verhindert bisweilen auch, dass New Work Fortschritte in die Produktion gelangen. Mein Anspruch war es immer schon, hier Brücken zu bauen und Entwicklungen auf dem Feld der Unternehmenskultur über Unternehmensbereiche hinweg zum Durchbruch zu verhelfen.

In anderen Branchen gibt es derartige Schleusen aber nicht …

RT: Die gibt es nicht unbedingt, aber dafür gibt es Schleusen, die nicht minder hinderlich sind, nämlich diejenigen im Kopf. Und die gibt es quer über alle produzierenden Branchen. Oftmals bleiben Corporate Culture oder New Work Maßnahmen auf den Bürobereich beschränkt. Das beginnt schon beim Leitbild, das so abstrakt und unverständlich formuliert ist, dass es die Menschen in der Produktion nicht verstehen. Gerade hier ist es wichtig, klar und prägnant zu sein, ist doch vielerorts der Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund sowie an- oder ungelernten Arbeiter:innen groß. Von einem leicht verständlichen Leitbild profitieren im Endeffekt alle Mitarbeiter:innen, auch die im Büro. Leider ist es generell oft so, dass die Arbeitsrealität im Produktionsbereich schlichtweg nicht mitgedacht wird.

„Man kann New Work Maßnahmen nicht einfach über den Produktionsbereich drüberstülpen, man muss New Work neu denken und spezifische Konzepte entwickeln, das ist eine Herausforderung.“ 

Hast Du hierfür Beispiele?

RT: Wenn bei der Planung interner Kinderbetreuung nicht auf die Schichtzeiten in der Produktion Bedacht genommen wird. Wenn in den Büros auf Ergonomie Wert gelegt wird, an den Anlagen hingegen alles beim Alten bleibt. Wenn die Kantine tagsüber gesund auftischt, nachts aber traditionell. Es beginnt oft schon im Kleinen: Wenn etwa wichtige Informationen im Intranet veröffentlicht werden, zu dem Arbeiter:innen nur beschränkt Zugang haben. Oder wenn die Unternehmensführung mit wichtigen Informationen vor die Belegschaft tritt, zu einem Zeitpunkt, an dem die Kolleg:innen in der Produktion schwer dabei sein können.

Warum gibt es deiner Meinung nach diese Versäumnisse?

RT: Es ist so: Man kann New Work Maßnahmen nicht einfach über den Produktionsbereich drüberstülpen. Man muss New Work neu denken und spezifische Konzepte entwickeln. Das ist eine Herausforderung angesichts der Einschränkungen, die der Produktionsalltag mitunter bietet. Diesen Aufwand scheuen manche Verantwortliche. Damit lassen sie allerdings viel Potenzial auf der Strecke – viele Menschen und ihre Ideen. Eines ist klar: Unternehmenskultur kann nur gesamthaft gedacht werden. Man kann nicht große Teile der Belegschaft außen vorlassen. Das sorgt für Unmut und Spaltung im Unternehmen.

Wie kann New Work im Produktionsbereich gelingen?

RT: Indem man nicht zu groß denkt, sondern in kleinen Schritten. Hier gibt es keine allgemein gültigen Erfolgsrezepte – man muss ganz genau hinschauen und die Menschen mit einbinden. Dass das funktioniert, dafür gibt es positive Beispiele. Es gibt bereits erfolgreiche Ansätze in Produktionsbetrieben, etwa, was Eigenverantwortung und Selbstorganisation betrifft.


Rosemarie Thiedmann ist am ersten Tag des 24-butterfly-Corporate Karisma Festivals mit ihrer Keynote “New Work in Blue Collar” auf der Bühne.

Rosemarie Thiedmann war als Personalentwicklerin und Ausbildungsleiterin in der Lebensmittelproduktion tätig. Seit 2015 berät und begleitet sie gemeinsam mit – ihrem mittlerweile Ehemann – Bernd im Rahmen von „Mensch & Veränderung“ Organisationen und Menschen in ihrer Weiterentwicklung. 2023 hat sie den Ratgeber “30 Minuten New Work” veröffentlicht.

 

Rosemarie Thiedmann
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Kommentare an: „Man kann bei New Work nicht große Teile der Belegschaft außen vor lassen”

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