Die Story Dealer setzen in ihrer Arbeit für veränderungsbereite Organisationen auf die Erlebniskraft von Geschichten, auf kreative Interventionen. Was diese ausmacht, das erzählen Hans Rudi Fischer und Stefanos Pavlakis im Interview.

Ist das nicht gefährlich, mit Geschichten zu dealen? Da kann ja was passieren …

HRF: (lacht) Das ist ja der Sinn, dass etwas passiert – im Sinn einer Passage, eines Übergangs. Was genau passieren wird, was dabei herauskommt, das ist nicht ganz klar. Wir öffnen Erfahrungsräume und vielleicht passiert etwas Verrücktes. Es geht in jedem Fall darum, etwas zu ver-rücken, eine Gruppe in Bewegung zu bringen. Das sagen uns die Teilnehmenden oft nachher: dass sie bewegt sind, dass sie das Erlebnis berührt hat. Geschichten sind nie etwas rein Kognitives, sie sind immer verbunden mit Gefühlen.

SP: Die Gruppe taucht in ein gemeinsames Erleben ein, in ein immersives Erlebnis, wie es so schön heißt. Und dafür eignen sich Geschichten wunderbar. Wichtig ist dabei: Wir starten zwar diesen Prozess, aber die Geschichte schreibt die Gruppe weiter, gemeinsam, in einem co-kreativen Prozess.

Ein Experiment mit offenem Ausgang sozusagen …

HRF: So ist es. Unsere Interventionen sind immer Experimente. Es ist quasi ein Heraustreten aus den vorgedachten Bahnen, aus den eingefahrenen Denkgeleisen. Die Teilnehmenden treten daneben, kommen aus der Spur und müssen erst wieder neue Geleise suchen oder sich selbst bahnen. Eine temporäre Verwirrung, die aber ganz wesentlich ist.

 „Menschen sind gegenüber Veränderungen prinzipiell ambivalent – sie wollen sich ändern, sie wollen sich aber auch nicht ändern. Mit dieser Ambivalenz muss man nicht nur rechnen, damit muss man auch spielen.“

SP: Wir arbeiten ja mit Organisationen zusammen, die sich verändern wollen. In gewisser Hinsicht sind unsere Geschichten ein Training für den Veränderungsprozess, der auf die Organisation zukommt. In unseren Interventionen können sich die Teilnehmenden darauf vorbereiten: Wie gehe ich damit um, wenn ich nicht weiß, in welche Richtung eine Entwicklung geht und was dabei herauskommt? Diese Unschärfe wird mit trainiert. Die Position in der Gruppe, in diesem Prozess wird neu bestimmt. 

HRF: In jedem Veränderungsprozess müssen die Menschen sich neu positionieren. Das ist nicht einfach, denn da geht es auch um Identitätsfragen. Wir gehen da spielerisch heran – in unseren Interventionen können sich die Menschen als Individuen positionieren und auch als Gruppe. Da kann auch ein neues Wir-Gefühl entstehen, eine Verbundenheit, die über das Erlebnis hinaus wirkt. Diese ist eine gute Basis für die Veränderungen, die auf die Menschen in ihrer Organisation warten.

Eure Auftraggeber kommen ja meistens mit einer Intention auf euch zu. Wie zielgerichtet könnt ihr diese umsetzen?

HRF: Wir gehen natürlich ein Stück weit auf unsere Auftraggeber zu, aber wir sagen nie: Es kommt am Ende genau das raus, was ihr wollt. Unsere Interventionen sind vielmehr Hacks, Induktionen zu einem kreativen Prozess.

„Wir bauen in unseren Experimenten eine Welt auf, in der die Menschen sich anders verhalten, nicht weil sie es müssen, sondern weil die Intervention sie dazu bewegt.“

SP: Oft sind in Veränderungsprozessen neue Verhaltensweisen erwünscht, sprich die Mitarbeiter sollen künftig anders agieren, agiler zum Beispiel. Dabei ist es so: Wenn neues Verhalten erwünscht wird, gibt es erstmal Widerstand. Das ist normal und manchmal auch gut. Was wir nun tun, ist Folgendes: Wir bauen in unseren Experimenten eine Welt auf, in der die Menschen sich anders verhalten, nicht weil sie es müssen, sondern weil die Intervention sie dazu bewegt. Unsere Geschichten sind quasi Testräume für neues Verhalten. Hier bekommen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein Gefühl für Neues – sowohl als Individuum als auch als Gruppe. In Geschichten verstrickt zu sein bedeutet, von Geschichten betroffen zu sein, und sie dementsprechend auch mitgestalten zu wollen. Story Dealing ist eine Methode zur Selbstbefähigung.

HRF: Menschen sind gegenüber Veränderungen prinzipiell ambivalent – sie wollen sich ändern, wollen es aber auch nicht. Mit dieser Ambivalenz muss man nicht nur rechnen, damit muss man vor allem spielen. Spielen heißt nicht nur Leichtigkeit erreichen, Spielen heißt auch Distanz wahren – man kann einfach mal ausprobieren, sich anders zu verhalten, und muss sich nicht sofort comitten.

SP: Wir kennen das doch alle. Wenn wir eine Gewohnheit ändern wollen, reicht der rationale Entschluss allein oft nicht. Die allermeisten Raucher wissen, dass Rauchen für sie schädlich ist. Auch wenn sie aufhören wollen, schaffen sie es oft erst einmal nicht. Wissen allein führt nicht unbedingt zu einer Verhaltensänderung. Wenn ein Versuch jedoch mit einem positiven Erlebnis verbunden ist, öffnet sich viel eher ein Möglichkeitsraum. Wenn ich – um bei dem banalen Beispiel zu bleiben – das Rauchen aufgebe und mich gleichzeitig zum Handballtraining anmelde und in der Trainingsgruppe neue Freunde finde, dann erfahre ich Rauchen aufhören nicht nur als Verlust, sondern vor allem als ein Erleben von neuer Freundschaft. Dabei hat sich ein Gefühl verändert.


Story Dealer “hacken” beim 24butterfly Corporate Karisma Festival den Community Day am Samstag, 4. Mai.

Hans Rudi Fischer und Stefanos Pavlakis sind gemeinsam mit Hans Geisslinger die Story Dealer. Von Berlin und Heidelberg aus arbeitet das Künstler- und Denkerkollektiv schon seit mehr als 30 Jahren mit Geschichten als Erfahrungsräumen. Zum Erleben eines solchen laden sie nun in die Tabakfabrik Linz ein.

Programm + Tickets: https://24butterfly.com.

Stefanos Pavlakis
Stefanos Pavlakis

 

Hans-Rudi Fischer
Hans-Rudi Fischer

 

Kommentare an: „Unsere Geschichten sind quasi Testräume für neues Verhalten“

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