Thomas Duschlbauer arbeitet immer wieder mit Organisationen, die vor großen Veränderungen stehen. Am 24butterfly Festival führt er uns auf die Spuren der Situationisten und erklärt, was “Culture Probes” bewirken können.

Die Situationisten sind eine Kunstströmung der 1960er, 1970er-Jahre. Was hat diese mit dem Thema Transformation zu tun?

TD: Die Situationisten hatten einen ganz neuen Zugang und Anspruch: Sie wollten die Grenzen zwischen Kunst und Leben auflösen, haben auch politische Forderungen erhoben und wollten die Strukturen der Städte vollkommen neu gestalten. Sie inspirierten auch zu Aktivitäten der Kommunikationsguerilla. Ausgangspunkt ihrer Arbeiten war dabei immer das subjektive Erleben des einzelnen Menschen. Wenn wir heutige Transformationsprozesse in Unternehmen betrachten, müssen wir erkennen, dass die einzelnen Mitarbeiter:innen daran relativ wenig Teilhabe erfahren.

Inwiefern?

TD: In den allermeisten Fällen wird die Richtung der Transformation von einem kleinen Kreis von Top-Manager:innen definiert. Sie diskutieren über neue Werte, Leit- oder Zielbilder, formulieren diese aus und verordnen sie dann ihren Mitarbeiter:innen. Die bekommen das fixfertige Ziel quasi serviert und sollen es so rasch wie möglich verinnerlichen. Das ist mitunter problematisch, da gibt es auch viele Widerstände – und genau diese können aber für die Entwicklung einer Organisation äußerst produktiv sein, sofern sie nicht durch Kommunikation niedergebügelt werden.

Wie lässt sich hier gegensteuern, sodass dieses Potential auch genutzt werden kann?

TD: Ich verfolge in meiner Arbeit für Organisationen einen anderen Ansatz – ich setze auf performative Settings, die die Mitarbeiter:innen einbinden. Die Menschen brauchen von Anfang an ein G’spür für die Veränderungen, die anstehen, und eine Rolle in dem Prozess. Es ist wichtig, Teilhabe zu ermöglichen. Das macht es den Menschen einfacher, sich mit der Transformation zu identifizieren und diese zu verstehen. Die Ebene der Ratio kann so verlassen werden.

„In Transformationsprozessen steht die vermeintlich lösungsorientierte Kommunikation zu sehr im Vordergrund. Was eine Lösung ist, entscheidet letztlich ohnehin die soziale Praktik und Veränderung, an der wir wirklich teilhaben, sie braucht auch keinen Beipackzettel.“

Wie kann man das verstehen?

TD: In Transformationsprozessen steht meines Erachtens viel zu sehr die lösungsorientierte Kommunikation im Vordergrund, die rationale Argumentation. Die braucht es natürlich auch, aber vielmehr geht es darum, dass man Veränderungen, die anstehen, nicht nur mitgestaltet, sondern dass man sie zu einem möglichst frühen Zeitpunkt in kleinen Dosen auch spürt – lange bevor sie so richtig manifest und wirksam werden. Ich arbeite hier mit Szenario-Techniken und versuche, die Menschen nicht in eine abstrakte Zukunft blicken zu lassen, sondern sie vielmehr so anzusiedeln, dass sie Teil dieser Zukunft sind – eine Art Zeitreise, wenn man so will.

Kann das Performative den Einzelnen nicht zu sehr emotional überfordern?

TD: Das hängt von den Mitgliedern der Organisation ab. Wir können uns dabei auch so behelfen, dass wir bei diesen Szenario-Techniken die Rollen der einzelnen Personen so verteilen, dass sich manche für ihre Verhältnisse nicht zu sehr exponieren müssen. Das setzt voraus und macht auch klar, wie wichtig es ist, dass eine Führung auch ein Bewusstsein von menschlicher Sensitivität hat. Man kann es aber auch sachter angehen und die Belegschaft auf eine Reise schicken, um sich über deren Wahrnehmung des Status quo zu einem Thema der Organisation schlau zu machen, und zwar bevor man eine Veränderung anstößt. Das wäre dann die Methode der Cultural Probes. Der Vorteil dieser Methode der Situationisten besteht nicht nur darin, dass man ein Big Picture erhält, sondern dass die Beteiligten bereits im Zuge ihrer Reise selbst ein gewisses Problembewusstsein erlangen können. Die Cultural Probes sind die Ergebnisse kleiner Aufgaben, welche die „Reisenden“ zu erledigen haben, um uns so einen Einblick in deren Erfahrungen und Empfindungen zu geben.


Beim 24butterfly Corporate Karisma Festival stellt Thomas Duschlbauer eine aktuelle Zusammenarbeit mit Wagner Stahl vor – gemeinsam mit der Eigentümerin des Unternehmens, Christine Wagner.

Thomas Duschlbauer ist promovierter Kommunikationswissenschafter, Vortragender und Publizist. Mit KompeTrend unterstützt er unter dem Motto „Transforming meaning into value“ Organisationen in ihrer Entwicklung. Programm + Tickets: https://24butterfly.com.

Thomas Duschlbauer
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Kommentare an: Ein G’spür für die Veränderungen, die anstehen

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